ÜBERSICHT ▼

GEFANGEN IM NETZ ▼

PRESSEECHO ▼

BNN, 17. November 2014

 

Ungehörte Stimme

 

Spielgemeinde rüttelt mit "Gefangen im Netz" wach

 

Glockenschlag geleitet einen in die Emmauskirche. Die freie Theatergruppe der "Karlsruher Spielgemeinde" hat es sich zu ihrem Alleinstellungsmerkmal gemacht in speziellen Räumlichkeiten aufzutreten – aus der Not an einem festen Raum eine Tugend gemacht. Denn die ungewöhnliche Umgebung verleiht der Veranstaltung einen unverbrauchten Charakter. Diesmal harmoniert dies auch mit dem sozial-ethischen Inhalt des Stücks. "Gefangen im Netz" erzählt die Geschichte einer ehemaligen Altenpflegerin. Die couragierte, aufopferungsvolle Frau wurde fristlos entlassen, eben weil sie so couragiert und aufopferungsvoll war. Sie hatte Stimme gegen die unmenschlichen Bedingungen im Altersheim erhoben und an die Öffentlichkeit gebracht. Damit aber gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Deutsche Gerichte verurteilten sie.

Die achte Inszenierung der "Karlsruher Spielgemeinde" ist wieder eine Eigenproduktion bis ins Detail. Wo bei früheren Werken aber vor allem eigene Gedanken der Mitspieler auslösendes Moment waren, ist es in "Gefangen im Netz" die leider wahre Geschichte der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch. Durch Improvisationen und Textarbeiten erschuf die Spielgruppe eine experimentelle Interpretation, die die drohende Vereinsamung auslotet. Die losen Szenencollagen balancieren am Saum der Wirklichkeit. Neben erzählerischen Episoden stehen surreale Momente. Das Podium flirrt im grünen

AUFHÜBSCHEN: Die Szene der drei Freundinnen gehört zu den wenigen heiteren Passagen im aufrüttelnden Stück. Foto: frei

Licht, wie Gespenster waten Heimbewohner in weißen Gewändern durch die imaginären Gänge. Diese holzschnittartigen Wahnvorstellungen fesseln im gut gefüllten, hohen Kirchensaal. Ein reduziertes Bühnenbild und wenig Beleuchtung erwecken die Darbietung zum Leben und bestätigen den architektonischen Ansatz der Gruppe: Die ungehörte Stimme der gebeutelten Frau verhallt im Kirchenschiff.

Auch gibt es komische Augenblicke, etwa wenn drei Freundinnen sich für ein Musical aufhübschen oder die gaunerischen Anmutungen eines Pfandleihers. Unterstützend wirkt die immer heiter bis schwermütige Akkordeonuntermalung. Alles aber zusammengehalten vom Themenfeld der Zivilcourage und Solidarität, mit hoffnungsvollem Ausgang: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rehabilitierte die Altenpflegerin. Marc Vogel

Termin: Am 24. Januar 2015, 20.00 Uhr, Baptistengemeinde, Ohiostraße 17.