Weinheimer Nachrichten 16.05.2001

Werden und Vergehen unter dem Diktat der Zeit

Karlsruher Spielgemeinde beeindruckt mit tiefsinniger Theatercollage in der Weinheimer Markuskirche

(ur) Eine Parabel über das Phänomen "Zeit" erzählten in eindrucksvollen Bildern in der Markuskirche die Mitglieder der Karlsruher Spielgemeinde "Theater in der Kirche". Mit Engagement, Spielfreude und Disziplin vermitteln sie einen nachdenkenswerten Abriss des menschlichen Werdens und Vergehens unter dem Diktat der Zeit. .................................... "Nimm sie dir doch - Zeit fliegt vorbei" hieß dieses Theaterstück das den gesamten Kirchenraum als Bühne nutzte. Die Metapher vom Lebensweg des Menschen führte den Zuschauer von der Taufe über die Welt des Kindes und des Jugendlichen bis zum Sichetablieren in der Gesellschaft und dem Ausgeliefertsein im Alter. ......... Die Zeit in Gestalt einer Symbolfigur war allgegenwärtig. Sie diktierte das Maß, sie initiierte Entscheidungen, untermalt von Knallafekten,

dunklem Chorgesang und vom Thema inspirierter Musik von Saxophon und Schlagzeug. "Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und Denken und zum Staunen, Empfinden, Wachsen, Hoffen, Lieben und zum Vergeben", sagt die mächtige und in ein silbernes Gewand gehüllte Figur "Zeit" zum Täufling. ......................... Doch was aus diesm Wunsch geworden - ein Hasten und Fliehen, ein unsicheres Tasten und Ignorieren der Kostbarkeit des Geschenkes Zeit. Besonders deutlich wurde dies in der beklemmenden Szene über die Verführbarkeit des jungen Menschen durch Parolen und Heilsversprechungen, von denen die schlimmste die der Blut- und Boden-Ideologie war. Aber auch die Darstellung der Konsum- und Spassgesellschaft machte nachdenklich. .,,,,,,,,............... Und wie wir mit unseren Jugendlichen umgehen, oft bedenkenlos, demonstrierte

die Spielgemeinde eindringlich in der Szene der von allen mit Stricken gebundenen Heranwachsenden, an die zum Teil völlig überflüssige Forderungen gesellt werden. Kein Wort über den tiefen Sinn des Lebens oder den Wandel zum Erwachsenen und seinen Lebensaufgaben. .............. Kostüme, Masken und Requisiten waren zum überwiegenden Teil einfach, aber überzeugend in ihrer Symbolhaftigkeit. Die Texte wurden vom Ensemble zum großen Teil selbst geschrieben. Daher auch empfindet der Zuschauer eine starke Identität der Darsteller und des Theaterstückes. ........................ Unter Leitung der Theaterpädagogin Heide Harmsen haben die Darsteller eineinhalb Jahre diese Aufführung gestaltet und eingeübt. Im Oktober 1999 folgten Protestanten, Katholiken

und kirchlich ungebundene Theaterbegeisterte dem Aufruf der pensionierten Lehrerein, die in Karlsruhe Waldstadt eine Theatergruppe gründen wollte. Ihr Ziel war es eine eigene Theaterproduktion für den Kirchenraum zu erarbeiten. ...... Die Akteure zwischen 16 und 60 waren alle bühnenunerfahren. Durch eine intensive Schulung präsentierte die Spielgemeinde nun ein engagiertes Theaterprojekt, das in seiner Qualität über die üblichen Laienspielgruppen hinausreicht. Hinter allem steht die Hoffnung auch Menschen in die Kirche zu bringen, die sonst nie hineingehen, so Heide Harmsen. Die Markuskirche, erklärte Pfarrer Dr. Albert Schäfer, wolle Gottesdienste nicht nur im liturgischen Sinne abhalten und die Kirche für Kultur bereitstellen, die Grundfragen des Lebens beinhaltet.

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