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BNN, 24.01.2005

Lebensglück hängt an einem winzigen Augenblick

Karlsruher Spielgemeinde regte Publikum in der evangelischen Kirche zum Nachdenken an

...Weingarten (ml). Wenn die Milch überkocht, dann hast Du einen Sekundenbruchteil lang nicht aufgepasst und schon ist es passiert. So ist es auch im Leben. Du hast den entscheidenden Augenblick verpasst. Der banale Vorgang "Wenn die Milch überkocht" ist der Titel einer packenden und unter die Haut gehenden Theaterproduktion der Karlsruher Spielgemeinde in der evangelischen Kirche.

...Doch ist es so? Hängt das Lebensglück von einem einzigen Augenblick ab? Ist es nicht vielmehr die den Menschen eigene Sichtweise der Dinge, seine - positive oder negative - Einstellung zu sich selbst und seinen eigenen Fähigkeiten, zu seinen Mitmenschen, zu seinem Leben an sich, die sich wie ein roter Faden durch seine Tage zieht und ihn am Ende glücklich oder unglücklich macht? Symbolhaft begann ein roter Faden, aus vielen verschiedenen Fäden geknüpft, schon an der Kirchentür: Aufforderung an die Zuschauer, den roten Faden ihres eigenen Lebens aufzunehmen und nach dem Sinn zu suchen. Neun Figuren zeigten in der eineinhalbstündigen Aufführung ihren Weg. Die Wanderin will nicht auf einem Fleck verharren. Sie will mit den Fischen sprechen und mit den Vögeln fliegen und scheitert an beidem. Der Lebensinhalt des Mädchens ist die Sehnsucht nach mütterlicher Liebe und Geborgenheit, denn ihre Mutter hat sie verstoßen. Ihre Mutter hat sich auf der Suche nach ihrem eigenen Glück den Kämpfenden angeschlossen, den Revolutionären, den Ideologen. Der Alte mit der Handharmonika liebt seine Musik. Er ist glücklich und sieht das Leben positiv in Gestalt eines blühenden Magnolienbaums, aber seine Frau hat ein Leben lang gewartet. Darauf, dass etwas passiert, dass sich etwas in ihrer Langeweile ändert, aber

"WENN DIE MILCH ÜBERKOCHT" ist der Titel einer Produktion der Karlsruher Spielgemeinde, die in der evangelischen Kirche in Weingarten das nachdenklich machende Stück aufführte. Foto: Lother

im entscheidenden Augenblick ist Ihr die Milch übergekocht. Immer wieder. Und über dem langen Warten ist sie taub geworden und kann die Musik ihres Mannes nicht mehr hören und sie kann den Zauber des Magnolienbaums, den Zauber der ersten Liebe, nicht mehr empfinden. Die Mutter der Dichterin "erfindet die Träume", will, dass ihre Tochter zu Höherem berufen ist. Die Tochte will schreiben, aber sie findet keineWorte, die sich zu Geschichten formen. Wieder ist es der Alte, der ihr Mut macht und ihrem Talent den richtigen Weg weist. Gegenspieler zu allen Figuren ist das Volk. Vier schwarz gewandete Gestalten vollziehen in mitunter dramatischen Auftritten ihre Funktion als Gegenpol, der für Gerechtigkeit sorgt und den Menschen einen Fingerzeig gibt.

...Es ist die dritte Eigenproduktion

der Gruppe um Spielleiterin Heide Harmsen. Die Schauspieler erarbeiten ihre Rollen selbst, im Wechselgespräch mit dem Team, so berichtet die ehemalige Kunstlehrerin und Theaterpädagogin, kristallisieren sich Figuren heraus, verfestigen sich die Charaktere. Die Texte, die von namhaften Autoren wie Berthold Brecht, Günter Eich, Hans-Magnus Enzensberger und anderen stammen, werden in eigene Worte eingearbeitet. Neben dem Inhalt machten auch die starke Leistung der 20 Laienschauspieler, hervorragende stimmungsgebende Licht- und Toneffekte und eine wirkungsvolle Raumaufteilung des Kirchenraums das Stück zu einer bewegenden und anrührenden Aufforderung zur Nachdenklichkeit.

..."Wenn die Milch überkocht" ist noch am 26. Februar um 20 Uhr in der Michaeliskirche in Stutensee-Blankenloch zu sehen.