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OskaÒ , September 2008

Familientreffen im Haus der Tante. Die Verwandten sind gekommen, um die alten Möbel und die Kleidung zu verteilen, und um den Hausstand aufzulösen. Der Weltenbummler Edward entdeckt auf dem Dachboden eine Tasche mit Briefen der vor 200 Jahren in Maulbronn verstorbenen Schriftstellerin Caroline Schlegel-Schelling, die in ihnen in poetischer und humorvoller Sprache von Liebe und Schmerz, Hoffnung und Trauer spricht. Die Familienmitglieder sind verstört. Sie geraten angesichts dieser Worte in einen Strudel von Konflikten über ihr Leben zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und begeben sich auf die Suche nach der Wahrheit.

Die "Karlsruher Spielgemeinde" hat schon viele verschiedene Themen zum Inhalt ihrer Stücke gemacht. Es ging in der Vergangenheit um Menschen in Extremsituationen wie Misstrauen und Wahrheit, Abneigung und Liebe, Hass und Toleranz, aber auch darum, sich die Kernfrage des Lebens zu stellen und eine ganz persönliche Antwort zu finden. Es ging schon um Hildegard von Bingen, die Vergänglichkeit der Zeit. Und nun also Caroline Schlegel-Schelling, eine Frau, die nie eine Emanze war aber stets die Gleichberechtigung von heute wollte, die ihr schriftstellerisches Talent am meisten in ihren anmutig plaudernden, von Verstand, Phantasie, Kunstsinn und poetischem Geist durchdrungenen, mit Neckerei und feiner Bosheit gewürzten Briefen bewiesen hat. Und diese Briefe werden in "Ein unwirthbares Eyland", der neuen Produktion, mit aktuellen Begebenheiten und Erlebnissen der Schauspieler verbunden. Eine spannende und anspruchsvolle Arbeit – wie immer haben es sich die Schauspieler der "Karlsruher Spielgemeinde" nicht einfach gemacht, als sie sich den Inhalt und Ablauf ihrer neuen Produktion ausdachten. "Es ist stets eine Art Schöpfungsakt", sagt Heide Harmsen.

Die pensionierte Lehrerin hat die kleine Theatergruppe vor rund zehn Jahren gegründet. "Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwanzig Jahre am Blankenlocher Thomas-Mann-Gymnasium als Kunst- und Theaterlehrerin gearbeitet und wenn man so etwas einmal gemacht hat, dann ist man infiziert", erzählt sie lachend. Als sie dann in Rente ging, konnte sie sich ein Leben ohne Theater nicht mehr vorstellen und schaltete 1999 in der BNN eine Anzeige, in der sie interessierte Laienschauspieler suchte. Es gab allerdings einen Unterschied zu ihrem bisherigen Engagement: Sie wollte ab sofort mit Erwachsenen zusammenarbeiten. Die Altersstruktur in der heutigen Truppe ist breit gefächert. "Zwischen 20 und 50 ist jedes Alter vertreten - und dann sind doch drei Schüler mit von der Partie", berichtet Heide Harmsen.

So unterschiedlich das Alter auch sein mag, alle Mitglieder der "Karlsruher Spielgemeinde" haben eines gemeinsam: Sie haben einen riesen Spaß am Schauspiel und dem, was dazu gehört. Ganz behutsam erarbeiten sie alle gemeinsam die neuen Stücke. "Wenn eine neue Produktion ansteht, treffen wir uns und reden einfach nur. Was hat wen wie bewegt, gefreut, geärgert. Was haben die einzelnen Mitglieder erlebt. Aus diesen Erfahrungen suchen wir ein Thema und wenn wir es gefunden haben, fließen wieder die Erfahrungen aller in das Stück mit ein. Dann lassen wir unsere Phantasie spielen. Wie könnte das Stück anfangen, was könnte wer wann sagen. Das ist unglaublich anstrengend, denn es ist ein demokratischer Prozess, in dem alle ihre Meinung äußern dürfen", so die Leiterin der Truppe.

Und sie fügt hinzu: "Oftmals gehen wir fünf Schritte vor und dann wieder drei zurück." Jeden Mittwoch treffen sich die Mitglieder drei Stunden, außer in den Schulferien, da ist Übungsfreie Zeit. "Wir nutzen diese um Kraft und neue Ideen zu sammeln", sagt Heide Harmsen. Wenn das Stück dann im Wesentlichen steht, zieht sich die ganze Truppe im Juni gemeinsam einige Tage auf das Schloss Rotenfels zurück und verbringt dort ein Wochenende. "Danach ist das Stück ganz fertig und wir begeben uns an die Umsetzung", verrät die Leiterin.

Heide Harmsen spielt übrigens selbst nicht mit. "Ich würde unheimlich gern", gibt sie zu aber es ginge einfach nicht. "Ich stehe vor der Gruppe und behalte den Überblick. Ich habe die Zeit mich mit allem viel und lange zu beschäftigen, und dieser Umstand und meine Erfahrung ermöglichen es mir zu entscheiden, was geht und was nicht", sagt die Theaterpädagogin.

So hilft sie die Rollen auf alle Akteure zuzuschneiden, denn jeder soll das, was er im Stück sagt, auch im wahren Leben jederzeit vertreten können. "Das ist unser Geheimrezept. Bei uns würde nie jemand etwas auf der Bühne sagen, was er nicht so meint. Es ist ein sehr gefühlsstarkes, persönliches und ehrliches Spiel, das die Mitglieder an den Tag legen", verrät Heide Harmsen. Und es gibt noch etwas, das die "Karlsruher Spielgemeinde" so besonders sein lässt. Nicht nur die schauspielerischen Qualitäten eines jeden einzelnen werden in die Arbeit mit eingeflochten. "Der eine kann Nähen, der andere Musik machen, jemand anderes wieder die Belichtung übernehmen. So machen wir alles selbst und das ist toll", schwärmt die Leiterin von ihrer Truppe.

Dass die "Karlsruher Spielgemeinde" etwas ganz Besonderes ist, finden auch die vielen Fans. Diese schauen sich die aktuellen Produktionen oft gleich mehrfach an – und erleben sie immer wieder neu. "Wir haben keine starre Bühne, sondern spielen immer in unterschiedlichen Räumen. In einer Kirche, im alten Schlachthaus, im Verkehrsmuseum zwischen Autos und Motorrädern und im Bruchsaler Schloss zwischen Prunk und Freitreppe. Und jedes Mal wirkt das Stück anders, denn die unterschiedlichen Umgebungen lassen Raum für neue Interpretationen und wir müssen immer wieder improvisieren", erläutert Heide Harmsen. Dass die Truppe mit ihren Stücke auf Tour geht, ist schon immer so gewesen. "Ich hatte mir am Anfang überlegt, dass die schönen Kirchen immer leer stehen und habe bei uns in der damaligen Waldstadtgemeinde Nord angefragt, ob wir nicht dort auftreten könnten. Die Idee wurde positiv aufgenommen und zwar von allen Seiten. Also haben wir es nicht mehr geändert."