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Leonberger Kreiszeitung, 08. September 2009

"Ein Meisterstück der Geister"

Maulbronn Caroline Schelling ist eine starke, geistig unabhängige Frau gewesen. Vor 200 Jahren ist sie gestorben.

Von Gabriele Müller

Nur wenige Meter von dem Steinobelisken entfernt, der an der Klostermauer nahe der Kirche steht und an ihren Tod in Maulbronn in der Nacht zum 7. September 1809 erinnert, haben sich etwa 150 Menschen getroffen: Die Internationale Schelling-Gesellschaft Leonberg sowie die Städte Leonberg und Maulbronn haben am Sonntag zu einem Erinnerungstag für Caroline Schelling in die Stadthalle auf dem Klostergelände eingeladen. Das klug zusammengestellte Programm macht dabei die historische Bedeutung dieser besonderen Frau im Kreise der Frühromantiker in Jena deutlich und würdigt ihre Lebensweise, die mehr darstellt als nur eine Biografie der Emanzipation.

Nach einem Grußwort von Lore Hühn, der Präsidentin der Internationalen Schelling-Gesellschaft, zeigt die Karlsruher Spielgemeinde unter Leitung von Heide Harmsen ein Stück, dessen Titel "Ein unwirthbares Eyland" ein Briefzitat von Caroline Schelling ist. Zunächst scheint es darin um das schlichte Ausräumen eines Hauses zu gehen, weil eine Tante gestorben ist. Immer wieder fallen den Frauen und Männern jedoch Briefe in die Hände, deren Inhalt allerhand ins Rollen bringen - Briefe von Caroline.

Sie sind die Auslöser für die Frauen, ihr Leben zu überdenken, Grenzen zu sprengen und ausgetretene Pfade zu verlassen. Inge (Swantje Wasmer/N. F.), Gattin eines Historikers (Michael Draese), fühlt sich ein Jahr nach der Hochzeit wie "eine Mistbeetpflanze, die das Leben nur noch durch Glas geniest" - eingesperrt in den Alltag mit der Familie. Die Bezüge zur ersten Vernunftehe der gebildeten Professorentochter Caroline sind deutlich.

Ebenso augenfällig sind die Parallelen zur alleinerziehenden Madame Jeanette (Bettina Lörz): Caroline, die damals Böhmer hieß, war bald Witwe und musste sich und ihre drei Kinder mehr oder weniger alleine durchbringen. Kein Zufall, dass ein Satz Carolines immer wieder erwähnt wird: "Man schätzt Frauenzimmer doch immer nur nach dem, was es als Frauenzimmer ist." Ein Frauenzimmer, das ist die Gattin, Hausfrau, Mutter - vielleicht auch die Geliebte -, niemals aber die ebenbürtige Partnerin. Noch nicht einmal in der Gemeinschaft der Frühromantiker, die gerne als "Kommune I" bezeichnet wird.

Caroline, inzwischen verheiratete Schlegel, verlässt diese Gemeinschaft aus Liebe zu dem zwölf Jahre jüngeren Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Vielen Anfeindungen ist sie ausgesetzt, wie oft in ihrem Leben. Aber sie bleibt sie selbst. Und als sie stirbt, spricht der zurückbleibende Schelling von ihr als einem "Meisterstück der Geister" und einem "selt"nen Weib von männlicher Seelengröße, von dem schärfsten Geist, mit der Weisheit des weiblichsten, zartesten, liebevollsten Herzens vereinigt".

Wie treffend das Theaterensemble die Facetten Caroline Schellings aufgespürt und mit der Gegenwart verknüpft hat, wird in dem anschließenden Vortrag von Eckart Klessmann deutlich, der ein Kenner der damaligen Zeit ist und eine bedeutende Biografie über Caroline Schelling geschrieben hat. Viele Originalzitate aus der Feder Carolines sowie aus denen ihrer Zeitgenossen flicht er in sein Referat ein, und sie lassen die Zeit der Jenaer Frühromantik unmittelbar lebendig werden, als deren Mittelpunkt Caroline Schelling gilt. Schilderungen der politischen Umstände, in denen sie lebte und die ihr einmal sogar einen mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt bescherten, vervollständigen das farbenreiche Bild.

Auf die Frage, warum er sich nach wie vor so gerne mit Caroline Schelling beschäftigt, erklärt Klessmann: "Mich spricht zunächst einmal dieser ungeheure Mut an, mit dem sie ihr Leben, das doch nicht leicht war, gemeistert hat und sich eine geistige Unabhängigkeit errungen hat." An der Klosterkirche steht der dicht beschriebe Obelisk, der an sie erinnert. An welcher Stelle genau die 46-jährig gestorbene Caroline Schelling aber tatsächlich begraben wurde, das weiß heute keiner mehr.

Eckart Klessmann: "Ich war kühn, aber nicht frevelhaft - Das Leben der Caroline Schlegel-Schelling" ist jetzt in dritter Auflage als Taschenbuch im List-Verlag erschienen.