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Waldläufer, Januar 2019

 

Von Dornröschen zu Rosedorn

Über den zehn Stücken, welche die Karlsruher Spielgemeinde seit 2001 in der Emmauskirche aus der Taufe hob, schwebte schon immer ein die Realität übersteigernder märchenhafter Hauch. Dies erleichtert auch erfahrenen Laienspielern ihre anspruchsvolle Aufgabe. Doch das Stück, mit dem sich das von Heide Harmsen geleitete Ensemble in den kommenden Monaten von der Bühne verabschieden will, beginnt völlig unverblümt als eine kabarettistische Neufassung des Dornröschenstoffs. Freudsche Erinnerungen an die Erweckung einer Jungfrau durch einen Prinzen werden dabei konterkariert durch starke und gut informierte Frauen, die einem ältlichen König zu der etwas androgynen Tochter Rosedorn verhelfen. Diesse verfällt aber mit fünfzehn Jahren nicht in einen hundertjährigen Schlaf, sondern landet plötzlich obdachlos, bedroht und unverstanden in einer modernen Stadt. Im Umgang mit verschiedenen sozialen Gruppen leuchtet die Hoffnung auf eine neue Identität auf, wenngleich die ehemalige Prinzessin digital nicht fassbar ist.

Die Spielfreude der Truppe wird unterstützt durch wirkungsvolle Kostüme, einfühlsame Violin- und Schlagzeugbegleitung und eine die breite Kirchenbühne nutzende Regie. Bis auf die zentrale Prinzessin schlüpfen alle Mitwirkende mühelos in mehrere Rollen. So kommen unzählige Personen auf die Bühne, die alle Aspekte der menschlichen Grundsituation veranschaulichen, und es entsteht ein Eindruck von großem volksnahen Welttheater.

F. Kohlenberger