ÜBERSICHT ▼

 

SMARAGD IM MUND ▼

PROGRAMM

 

Hier finden Sie einen Auszug aus unserem Programmheft zu unserem Stück "Smaragd im Mund- ein Stück verrückst"

Idee des Theaterstücks

Die Theatergruppe hat Bilder zu den Grenzbereichen von Normalität und Wahnsinn unserer Alltäglichkeit entwickelt. Wir erzählen von eigenen Erfahrungen mit unserer Wahrnehmung sowie dem gesellschaftlichen Umgang mit Abweichungen von Normen.

Nur eine Künstlerin im Theaterstück durchbricht die von ihrer Familie gesetzten Maßstäbe und einzwängenden Verhaltensweisen. Mit dem Aufruhr ihres Geistes und ihrer inneren Freiheit springt sie in die Rolle einer "Traumtänzerin". Ist sie am Ende verrückt oder jene anderen, die glauben normal zu sein?

Hildegard von Bingen haben wir als Begleitfigur gewählt, weil sie nur aus dem Grenzland ihrer Visionen ihre Wirklichkeit bestehen konnte.

Wer ist verrückt ?

Es gibt Menschen, deren Erleben so weit von dem unseren entfernt ist, dass wir sie "verrückt" nennen. Das ist reine Bequemlichkeit. Wir geben ihnen ein Etikett und entziehen uns damit der Verantwortung, ihnen einen Platz in unserer Gesellschaft zu schaffen. Wir sperren sie in Asyle, in geschlossene Anstalten, wo von ihnen nichts mehr zu sehen und zu hören ist. Für diese Menschen gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Realität und Träumen - oder Alptraum. Was wir Visionen nennen und in den Bereich der Mystik verbannen - die Wunderheilungen Christi, die Heiligen-Legenden, die apokalyptischen Offenbarungen des Johannes, das ist ihr täglich Brot. Sie finden Heiligkeit in Bäumen oder Kröten, sehen Götter im Feuer oder im Wasser, hören Stimmen im Wirbelsturm, auf die sie uns aufmerksam machen würden, wenn wir nur zuhören wollten. Sie leben nicht in "anderen Welten", sondern in einer Dimension dieser Welt, vor der wir aus Angst die Augen verschließen.

Timothy Findley

Hildegard von Bingen

UMSCHREIBUNG: Seherin, Klosterfrau, schöpferischer, tätiger Mensch ­ niemals Heiliggesprochene.

DAS LEBEN: Geburt als zehntes Kind kleiner Adliger: von Bernsheim. Der zehnte für den Herrn! Wann? Fraglich: 1098. Sicher der Tod: 1179. Die Zeit: das Mittelalter. Umbrüche, Übergänge, Vorbereitungen, Aufbrüche.

WER LEBT: Bauern, Adel, Bürger, der Kaiser, die Kirche ­ jeder Mensch ein Streben nach Heiligkeit ­ jeder auf seine, jeweils eigene Art. Was sonst?

VISIONEN: Unter Krankheit, Schwäche, Schmerzen, aber: Gott ist schon da. Hat bewirkt immer schon. Wie erklärt man das? In Bildern sprechen: Gott gibt! Der Papst bestätigt. Verantwortete Verantwortung. Der Kaiser: Bewunderer. Und daneben: die Nonnen. Was sie brauchen: ein Haus, einen Altar. Boden und Lüfte - Feste für die Seele, ein Vorgriff auf das ganze, volle Leben in der Vollendung. Also gründen wir Klöster für Hildegard: der Disibodenberg, der Rupertsberg bei Bingen, Eibingen - mit Kaiserlichem Schutzbrief: Kloster, Rückhalt, Kraft, Freiraum. Fort - für Reisen - weite Reisen für eine alte Frau! Und dazu noch Predigten. Und mehr noch: die Pflanzen, die Heilkunde und die Musik! Und die Edelsteine. Alles: die große Ordnung in Gott. Aber - neu denken. Beobachtungen, Denken, Sprechen, Kochen, Heilen, Komponieren, Schreiben. Und schließlich: ins Eine hineinstreben. Schauen. Dasein. Heute. Immer - Hildegard von Bingen.

Karin Rasimus

"Smaragd im Mund"

Der durch Chrom grün gefärbte Beryll heißt Smaragd. Als einer der wertvollsten Edelsteine überhaupt, werden ihm aus jüdisch-christlicher und arabischer Tradition harmonisierende und schützende Heilkräfte zugeschrieben. Diese sollen nach Hildegard von Bingen psychisch gestörten Menschen Linderung ihres Leidens bewirken:

"Und wenn jemand von der Fallsucht geplagt zu Boden fällt, wenn er dann so hingestreckt liegt, lege den Smaragd in seinen Mund, und sein Geist belebt sich wieder".